Gerhard Frank – Der altbekannte ? Ein ganz neuer ? Ein anderer Gerhard Frank!

 

„Der originale Künstler verlässt das Bekannte. Er stößt bis zum Nullpunkt vor.

Hier beginnt sein hoher Zustand“

Dieses Zitat von Willi Baumeister trifft auf Gerhard Frank uneingeschränkt zu.

Wie sein großer Künstlerkollege verlässt auch Frank immer wieder gewohnte Wege, schließt Bekanntes, erfolgreich Bearbeitetes, konsequent ab, um neue künstlerische Herausforderungen zu suchen, die unendlichen Ausdrucksmöglichkeiten in der Malerei auszuloten und zu ergründen.

Neues zu schaffen!

Dabei bewahrt sich der Künstler Eigenständigkeit und Originalität und erfindet immer wieder neue, überraschende Darstellungsformen zu verschiedensten Themen. Nah den Serien der Eierbilder, Reiheransichten, Sühnekreuze, Früchteportraits beginnt nun eine neue Phase.

„Berührungen“ – heißt die neue Ausstellung.

Frank verlässt dabei das Terrain der Darstellung des Sichtbaren, der Außenwelt, und begibt sich in den Bereich der Darstellung von Emotionen, also von Unsichtbarem.

Wie stellt man menschliche Gefühle bildnerisch dar? –

Einsamkeit, Angst, Hoffnung, Geborgenheit, Zuversicht, Resignation, Freude, Lust, Trauer, Wut, Aggression - Eine Berührung ist unschwer darstellbar, aber wie bringt man „berührt sein“ bildnerisch zum Ausdruck?

Mit diesem Problem setzt sich der Künstler auseinander und gibt dabei auch Auskunft über eigene Stimmungen und Befindlichkeiten. Das Bedürfnis sich dieser Herausforderung zu stellen, ergab sich sowohl aus seiner sich verändernden Lebenssituation, die ihn emotional stark bewegte, als auch als Reaktion auf berührende, weltpolitische Ereignisse. Spontane, situative, naturhafte Kräfte waren am Werk, als diese Arbeiten entstanden. Genese, Gestaltbildung, Metamorphose, Bewegung werden zum Generalthema.

Jedes einzelne Werk ist formgewordener Prozess, in dem der Formdrang des Künstlers, sofern dieser selbstvergessen, doch hochkonzentriert- wie im Traum- seinem emotionalen schöpferischen Impuls nachgibt, und die Formen einander ablösen und ineinander übergehen lässt.

Ein eigener, kleiner Kosmos entsteht.

Wir sehen durch das Auge des Malers, der den lebendigen Kräften jenseits des Sichtbaren nachgeht: diese Kräfte kommen aus dem Unbekannten, Unbewussten, jedoch mitten aus der Welt. Der Maler will in seinen Bildern das Unsichtbare sichtbar machen.

In wechselseitiger Durchdringung von Figur und Grund, im Ineinandergreifen einander sich überlagernder Schichten wird dieses deutlich. Schicht um Schicht wird ein Geheimnis, ein Mythos entdeckt. Körper überlagern sich, sind ineinander verschlungen, gehen Verbindungen ein, stoßen sich ab, drücken Beziehungen aus. Sind es zwei oder drei ? Die figuralen Schemen in den abstrakten Bildern lassen Raum für eigene Gedanken, Gefühle, Deutungen. Es gelingt dem Künstler, die aus dem Unterbewussten, Empfindungsmäßigen- also von seiner Naturkraft – empfangenen Impulse in eine autonome, aussagekräftige Bildwelt zu überführen. Die Arbeiten sind voller Bewegung, Dynamik, voller Spannung, Unruhe und Dramatik, - voller Leben.

Die psychografische Nervosität, spontane Aggressivität und Wucht der malerischen Gesten sind typisch für Franks Arbeitsweise. Dabei kommt ihm zugute, dass er gleichzeitig ausgezeichneter Zeichner und Maler ist. Folgerichtig werden Zeichnung und Malerei miteinander verwoben, lösen sich ab, ergänzen sich, stehen gleichberechtigt nebeneinander. Da übernimmt der Bleistift malende Funktion, füllt Flächen aus, skizziert Schattierungen, hebt in den Vordergrund oder ergänzt im Hintergrund leere oder farbverwischte Bereiche.

Die Malerei wiederum übernimmt mittels alter verklebter Aquarellpinsel Aufgaben, die sonst dem Zeichenstift vorbehalten sind. Der „Zeichenpinsel“ ergänzt die Farbfläche, führt eigene Bewegungen aus und wird wegen seiner begrenzten Aufnahmefähigkeit für Farbe sehr schnell zum Zeicheninstrument, mit dem unterschiedliche Strichstärken möglich sind, dessen Farbmaterial plötzlich versiegt und deshalb immer wieder neu „geladen“ werden muss.

Das ergibt heftige, krakelige, abgehackte Bewegungen, die dem Bild einen ausdrucksstarken, eigenen Charakter verleihen und die jeweilige Bildaussage gekonnt unterstützen. Ein kräftiger Hell – Dunkel Kontrast kennzeichnet Franks Werke. Hier sieht er sich in der Tradition der großen chiaro-scuro Künstler der Renaissance und des Frühbarock von Tizian bis Caravaggio.

Eine reduzierte Farbpalette-Schwarz, Weiß, Braun und deren Abstufungen, mitunter sparsam durch Rot und Gelb ergänzt, steigert die Kraft des Ausdrucks, erzeugt eine eigene Stimmung. Frank teilt die rechteckige Fläche des Malgrundes in mehr oder weniger farbintensive Flächen und Tiefen auf und verzichtet bewusst auf die Anwendung klassischer Kompositionsgesetze.

Er will den Wohlklang und das Gleichmaß vernachlässigen zugunsten einer besonderen Aussage.

In 60 Bildern unterschiedlichsten Formats, die, in kleinen Gruppen zusammen-gehängt, eine äußerst eindrückliche Wirkung erzielen, bearbeitet Frank verschiedene Zyklen unter seinem neuen Thema: Berührungen.

Er interpretiert Themen der Mytologie, das politische Weltgeschehen und zeichnet heitere, emotionale Berührungen im Tanz und bei den Artristen. Seine sogenannten Tischgespräche stehen für ganz besondere Begegnungen.

In zwei ehemaligen Solnhofer Plattentischen des Café Frank sind 40 Miniaturen untergebracht. Sie erzählen die Geschichten vieler interessanter, oft auch berührender Gespräche ehemaliger Kaffeehausgäste. Begegnungen von Crailsheimern mit Politikern, wie Gustav Heinemann, Lothar Späth, Ulrich Lang und Rezzo Schlauch, mit Künstlern und Gästen der Literarischen Gesellschaft sowie Oberbürgermeistern mit Volksfestehrengästen, mit bekannten und noch bekannteren Mitmenschen.

Seine eigenen Gefühle und Empfindungen verarbeitet Frank, angeregt durch die Novellen von Stefan Zweig. Franks Affinität zu Stefan Zweig spiegelt sich unter anderem in seinen drei Hauptwerken wider, die alle mit Titeln nach Novellen des Erzählers unterlegt sind:

„Rausch der Verwandlung“, „Kampf mit dem Dämon“ und „Verwirrung der Gefühle“

Zitat Zweig:.....“unser Leben hat tiefere Sinne, als die äußerlichen Geschehnisse, die uns zusammenführen und trennen, und eine tiefe Magie des Lebens, nur dem Gefühle zugänglich und nicht den Sinnen, beherrscht Schicksale, selbst dann, wenn wir sie selbst zu lenken glauben“,

Diese Überzeugung veranschaulichen Stefan Zweigs Erzählungen ebenso wie Gerhard Franks neue Bilder. Der Welt des Unbewussten, galt von Anfang an Zweigs erzählerisches Interesse und diese Welt fasziniert auch Frank.

In seiner Novelle „Verwirrung der Gefühle“ fragt Zweig weiter:

Ist es Bequemlichkeit, Feigheit oder ein zu kurzes Gesicht, dass- sie unsere Schriftsteller und Künstler – alle immer nur den oberen erhellten Lichtrand des Lebens zeichnen, wo die Sinne offen und gesetzhaft spielen, indes unten in den Kellergewölben , in den Wurzelhöhlen und Kloaken des Herzens phosphorhaft funkelnd die wahren, die gefährlichen Bestien der Leidenschaft umfahren, im Verborgenen sich paarend und zerfleischend in allen phantastischen Formen der Verstrickung?“

Gerhard Frank ist nicht bequem, nicht feige, er hat auch kein zu kurzes Gesicht, er zeichnet nicht nur den oberen, erhellten Lichtrand des Lebens,

- er macht auch das Unsichtbare sichtbar.

Manfred Koch